6 Punkte zum Ukraine-Krieg
1. Aufnahme und Unterbringung der Geflüchteten
Die Anzahl der vor dem Ukraine-Krieg geflüchteten Menschen, die nach Thüringen kommen, wird in den nächsten Tagen erheblich steigen. Zur Zeit ist nicht absehbar, wie lange der Zustrom anhält und ob beziehungsweise wann die Geflüchteten heimkehren können. Wir müssen uns deshalb schon jetzt vorsorglich darauf einstellen, ihnen über einen längeren Zeitraum hinweg Perspektiven und Chancen in Thüringen aufzuzeigen.
Es ist zu erwarten, dass die zentral ankommenden Geflüchteten kurzfristig auf die Kommunen verteilt werden. Die Landesregierung ist in der Pflicht, die Kommunen organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Schon jetzt gibt es Initiativen, Sammelunterkünfte zu schaffen und freien Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Diese lobenswerten Anstrengungen bedürfen jedoch zwingend eines professionellen Managements, um über längere Zeiträume hinweg tragfähig zu sein. Die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden sind gefordert, in Abstimmung mit den Kommunen zeitnah Strukturen und Vorgehensweisen zu definieren. Das schließt ein, auch alle jene Schutzsuchenden zu erfassen und zu betreuen, die individuell in Thüringen eintreffen und zum Beispiel bei Freunden und Verwandten ein zwischenzeitliches Zuhause finden. Für diese Erfassung muss den Kommunen ein einheitliches System an die Hand gegeben werden.
Dabei sind auch Daten über den Ausbildungsstand und den gesundheitlichen Zustand der Geflüchteten zu erheben. Land und Kommunen sind gehalten, die Geflüchteten über Schutzimpfungen, insbesondere gegen Covid-19, zu informieren und Impfungen niedrigschwellig anzubieten. In Absprache mit der Kassenärztlichen Vereinigung, der Landesärztekammer sowie der Krankenhausgesellschaft sollten darüber hinaus Möglichkeiten geschaffen werden, dass bereits in Thüringen tätige ukrainischsprachige Mediziner für Sprechstunden zur Verfügung stehen.
Wir gehen davon aus, dass die meisten der erwachsenen Geflüchteten gut ausgebildet und bereit sind, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten einzubringen. Um ihnen den Zugang zu Bildungs- und Arbeitsangeboten zu ermöglichen, ist es notwendig, landesweit Sprachkurse anzubieten. Hierzu sollte die Landesregierung auch digitale Möglichkeiten einbeziehen, z.B. indem sie Online-Sprachkurse auf einer Internetseite bereitstellt. Auf einer solchen Plattform stehen idealerweise auch Informationen zu Kinderbetreuung und Schule sowie Berufsangebote zur Verfügung. Diese Informationen müssen mehrsprachig bereitgestellt werden.
2. Aufnahme von geflüchteten Kindern in Kitas und Schulen
Unter den Geflüchteten sind vorrangig Kinder und Jugendliche, von denen sicher viele ihr Recht auf Schulbildung in Anspruch nehmen wollen. Damit stehen aber Kitas und Schulen schon bald vor der Aufgabe, diese Kinder und Jugendliche aufzunehmen und zu integrieren. Das wird insbesondere Erzieher, Schulsozialarbeiter und Lehrkräfte vor enorme Herausforderungen stellen. Neben sprachlichen Hürden, müssen sich die Pädagogen darauf vorbereiten, mit traumatisierten Kindern zu arbeiten. Die Landesregierung steht in der Pflicht, die Kitas und Schulen damit nicht allein zu lassen. Sie muss den Schulen alle Informationen an die Hand geben, damit diese auf den Bildungsstand der Kinder eingehen und diese in das Unterrichtsgeschehen einbinden können.
Außerdem müssen gemeinsam mit Volkshochschulen oder freien Bildungsträgern weitere Sprach- und Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche geschaffen werden. Auch wenn die meisten Kinder ukrainisch sprechen werden, kann die Einbindung pensionierter Russischlehrer eine Möglichkeit zur besseren Verständigung sein. Auf der anderen Seite sollte auch schnellstmöglich eine Grundlage dafür geschaffen werden, dass Geflüchtete mit pädagogischer Ausbildung unterstützend im Unterricht und im Nachmittagsbereich an Schulen und in den Kitas eingesetzt werden können.
Ziel dieser Maßnahmen ist, den geflüchteten Kindern und Jugendlichen einen strukturierten Alltag anzubieten und ihnen gute Startvoraussetzungen zu geben, um sich in Thüringen zu integrieren und ihre Bildungschancen zu nutzen.
3. Geflüchtete in Berufsausbildung und Hochschulen integrieren
Für junge Geflüchtete steht die Frage, eine bereits begonnene Berufsausbildung fortzusetzen oder aber eine Berufsausbildung aufzunehmen. Hierfür müssen kurzfristig mit den Kammern die Rahmenbedingungen abgestimmt werden. Es wird insbesondere zu klären sein, wie eine bisherige Ausbildung anerkannt werden kann. Darüber hinaus steht die Frage des Erwerbs von Deutschkenntnissen, etwa im Kontext zu absolvierender Prüfungen. Hier kann auf die Erfahrungen der Bildungsträger zurückgegriffen werden, die bereits seit Jahren enge Ausbildungsverbindungen zur Ukraine halten.
Es ist gut, dass Studenten die Möglichkeiten erhalten, ihr Studium in Thüringen fortzusetzen. Hier haben die Hochschulen die Aufgabe, notwendige Rahmenbedingungen vor allem für sprachliche Verständigung zu schafffen. Die Hochschulen sind internationale Studenten gewöhnt. Insofern bauen wir auf diese Erfahrungen.
4. Gesellschaftlichen Zusammenhalt bewahren
In Thüringen lebten vor dem Ukraine-Konflikt bereits rund 4.500 Menschen aus der Russischen Föderation und rund 2.700 aus der Ukraine. Während der vergangenen 10 Jahre wurden 436 Staatsbürger der Ukrainer und 255 aus der Russischen Föderation eingebürgert. Bereits zuvor kamen Tausende Russland-Deutsche nach Thüringen. Sie alle sind Teil unserer Gesellschaft.
Nun kommen viele weitere Menschen hinzu, darunter Flüchtlinge russischer Herkunft. Die gesamtgesellschaftliche Herausforderung besteht auch darin, allen Versuchen, Menschen unterschiedlicher Herkunft gegeneinander auszuspielen, entschlossen zu begegnen.
Dazu kann auch eine offene und sensible Auseinandersetzung mit dem Krieg im Unterricht beitragen.
5. Die Energieversorgung sichern
Die Sicherstellung der Energieversorgung ist eine europäische Herausforderung. Dennoch muss sie zugleich zur Chefsache der Thüringer Landesregierung werden. Sie hat die Energiewende konsequenter als bislang voranzutreiben und so die Unabhängigkeit von Importen zu steigern. Dabei kommt der Windkraft zweifelsohne Bedeutung bei, doch sie allein kann weder die Versorgung absichern noch das Klima retten. Thüringen braucht gerade in Krisenzeiten keine symbolpolitischen Forderungen, sondern einen technologieoffenen Ansatz. Dabei müssen wir uns stets die Frage stellen, wie wir immer dann eine stabile Grundlastversorgung sicherstellen, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint.
Dezentrale Lösungen können dabei eine wichtige Rolle spielen. In Thüringen sollten wir uns stärker als bisher der klimafreundlichen Wasserkraft besinnen. Nur sehr wenige der vorhandenen Talsperren und Wehre verfügen bislang über Anlagen zur Stromerzeugung. Es gilt zu prüfen, wie auch mit ihrer Hilfe die Energieversorgung in einem vertretbaren Aufwand sichergestellt werden kann.
Auch Biomassekraftwerke sollten ausgebaut werden. Das schließt ein, den Anbau von Energiepflanzen zur Biogas- und Biokraftstoffproduktion auszuweiten. Es ist ein Gebot der Vernunft, unsere eigenen Agrarflächen optimal zu nutzen und die politische Maßgabe der EU, vier Prozent der Agrarflächen stillzulegen, ruhen zu lassen. Jedes zusätzliche Raps- und Maisfeld macht uns etwas unabhängiger von Erdgaslieferungen aus Russland.
Ebenso sind die Potentiale der Wasserstofftechnologie zu berücksichtigen.
6. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft gering halten
Die steigenden Strom- und Energiepreise belasten nicht nur die Bürger enorm, sondern auch die Wirtschaft. Zudem müssen viele Unternehmen die Folgen der gegen Russland verhängten Sanktionen mittragen. Lieferketten werden unterbrochen, die Preise für Rohstoffe steigen, Arbeitsplätze geraten in Gefahr. Bei den Thüringer IHK sind derzeit 368 Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Russland registriert. Noch können wir die Konsequenzen für diese und andere Unternehmen nicht im Detail abschätzen. Gemeinsam mit dem Thüringer Mittelstand muss sich die Landesregierung so schnell wie möglich einen Überblick verschaffen und Betroffenen in enger Abstimmung mit dem Bund helfen.
Dass die Bundesregierung bereits angekündigt hat, Firmen zu unterstützen, die durch den Krieg in Schieflage geraten, ist richtig und wichtig. Ähnliche Programme bestanden bereits während der Pandemie. Auf Dauer gibt es aber keine Alternative dazu, Wertschöpfung zu betreiben
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